Gälliwändli, 14. / 15. Juni 25

Diesmal, liebes Gällihore, entkommst du uns nicht!

Sechs wild entschlossene Kriegerinnen und Krieger aus helvetiens Nordwesten besteigen nach beschaulicher Bahnfahrt auf Rädern die Bahn der Lüfte von Kandersteg nach Sunnbüel. Der Häuptling dieser Truppe eiserner Krieger*innen ist zwar gerne vertikal auf allen Vieren unterwegs aber leicht gehfaul veranlagt. Es steht deshalb zu vermuten, dass dies mit ein Grund ist für die Wahl dieses «Schlachtfeldes», denn kaum purzelt die tapfere Truppe aus der Bahn, geht’s per Pedes bereits wieder abwärts. Wenigstens lange? Ja, sehr lange! Etwa sieben Minuten sind’s bestimmt! Und schon steht der Trupp bei seinem Nachtlager…

Waaaas und solche Geschöpfe nennen sich Bergsteiger*innen?? Jawoll, tun sie! Denn nach dem Abwerfen von Gewicht (auch das noch!) geht’s mächtig bergan! Eine sehr knappe Stunde ist es schon, bis zum Einstieg wo der Kampf seinen Lauf nimmt. Auf die Frage danach wie lange denn der Einsatz für das Mutter- und Vaterland diesmal in etwa dauern wird, antwortet der Gehfaule: «Hoffentlich nicht mehr als sechs Stunden». Drei Sekunden Stille, man hört und sieht einige Krieger*Innen schlucken, dann befreiendes Lachen. «Hahaha, dies war ja mal wieder ein netter Witz, lieber Häuptling». Das der Konsens im Trupp sowie verbreitete Heiterkeit. «Wir werden ja sehen», so der Häuptling.

Also auf in den Kampf oder viel treffender: rein ins Vergnügen. Meter um Meter, Seillänge um Seillänge nimmt der angriffslustige Trupp ein. Ein wahres Fest ist es, auf diese Weise fremdes Terrain zu «erobern». Immer «den Schwachstellen der Wand» folgend, mal hin, mal her ziehen die Tapferen gen Himmel! (ach wie liebt doch der gehfaule Schreibende die heroische Ausdrucksweise mit der alpinistische Heldentaten in früheren Zeiten beschrieben wurden!)

Schwachstellen hin oder her, das Gemäuer ist schon steil in seiner Gesamtheit und gewährt ausgesetzte Tiefblicke, aber das kann die Ehernen nicht beängstigen. Nein, sie blühen auf, wachsen alsbald über sich hinaus, entwickeln ungeahnte Kräfte, gespiesen durch den Anblick der umliegenden Schneeriesen und der ebenso unbeugsamen Natur. Ein einzig Freudenfest aller Sinne!

Oben angekommen fällt sich der Trupp in die Arme (oder schüttelt sich einfach die Hand…). Zusammen ging frau und man siegreich aus diesem Kampf hervor! Es wurde der Gipfel des Gällihore erobert, wahrlich eine Tat die die Handschrift von Held*innen trägt!

Die Frage nach dem Woher der Namensgebung dieses so aussergewöhnlich schönen Felsenturmes ob Kandersteg muss vorerst unbeantwortet bleiben. Nach reiflicher Überlegung kommt der schreibende, gehfaule Bezwinger zum Schluss, dass dies einzig daher rühren kann, dass die oder der erste Bezwinger*in ebendieses Berges aus tief empfundener Freude über den überwältigenden Rundblick wohl einen gällenden Jutz gen Tal geschickt haben muss.

Die Frage danach wie lange der Trupp dem Sieg harren musste konnte hingegen recht schnell und einfach geklärt werden. Der Stand der Sonne zeigte den Tapferen unmissverständlich an: ganze fünf und eine halbe Stunde dauerte dieser harte, aufopfernde Einsatz!

Im Rückzug von diesem Gefecht konnte die Eroberung nun noch von der Seite her bestaunt werden und der Schreibende wagt die kühne Behauptung: manch einer der tapferen Krieger*innen hätte möglicherweise aufgrund eines Anfluges leichten Defätismus’ zu frühzeitigem Rückzug aus dieser Schlacht geraten, hätte er diesen Anblick vor der Tat gehabt. Aus der Richtung des Polarsternes betrachtet steht das Gemäuer recht eigentlich als unbezwingbares Bollwerk da.

Zurück beim Nachtlager angekommen zeigt sich die wahre Grösse der Kämpfer*innen aus dem Nordwesten Helvetiens: beschwingt und recht eigentlich gestärkt vom vorangegangenen Gipfelsieg hilft der Trupp Basiliensis dem Trupp Apud Belnam («Biel», wie man dereinst im Jahre Anno Domini 2025 sagen wird), den Herren des Nachtlagers beim Spalten und Schleppen von Holz um für die Unbill der kommenden, dunklen Jahreszeit gerüstet zu sein, während der Küchentrupp aus recht einfachen Zutaten ein wahrlich köstliches Mahl zaubert.

Bis weit in die Abendstunden wird alsbald mit dem Hausherrn und seiner Tochter über Alltägliches und Alpinistisches lamentiert und gescherzt bis sich der Erdtrabant ankündigt und die Tapferen vom wohlverdienten Schlaf übermannt werden.

Solch heldenhafte Taten bedürfen ein gerüttelt Mass an nächtlichem Ruhen, weshalb der nächste Tag erst in Angriff genommen wird, als die Sonne schon deutlich über dem Horizont steht. Trotzdem, die zu allem Entschlossenen wollen nicht allzu viel Zeit verlieren, kündigen erste Zeichen am Firnament doch unmissverständlich eine Änderung der Wetterlaunen an (im Jahre 2025 wird eine sogenannte Äpp mit einem mirakulösen «Wetterradar» diese Annahme untermauern…)

Nach einem ersten noch etwas unentschlossenen Regenguss schreiten die noch immer Tatkräftigen zur… genau: Tat. Um für kommende, kühne Bergfahrten gerüstet zu sein wird noch nahezu fünf Stunden gelernt und geübt. Zum Beispiel wie sich die in Not geratene Vertikalkriegerin selber an einem Seil hocharbeitet (Selbstaufstieg), wie der selbstlose Gefährte seinen in Not geratenen Kameraden unterstützt (Expressflaschenzug), wie eine kräftige Anführerin ihren im Gefecht verwundeten Kameraden auf kanadische Art und Weise das Gemäuer hinauf zieht (Kameradenrettung mittels Kanadier-Flaschenzug), wie am Seil hinab geglitten werden kann, wenn entsprechende Gerätschaften fehlen (Karabinerbremse) und Derartiges mehr.

Als die Sonne zwei Stunden über dem Zenit steht werden die Tore des Himmels vollends geöffnet und der heitere Trupp sieht sich zum vollständigen Rückzug gezwungen. Die Habseligkeiten werden verpackt und das Nachtlager geräumt. Dabei zeigt sich: der Fuchs, der kurz zuvor tatsächlich unerschrocken am Weglager vorbei gezottelt ist, hat sich sämtliche Essensresten, die noch zu Tal getragen hätten werden müssen einverleibt! Ganz pragmatisch: in die Küche schleichen, fressen, was es zu fressen gibt und weg bin ich

. Solchermassen erheitert nimmt der Trupp die überaus anstrengenden 46 Höhenmeter Gegenanstieg in Angriff, gönnt sich einen Kaffee in der Schenke (oder ein grosses Glas gefrorener Nidel, gell Peter) und schwebt alsbald wieder dem sicheren Talesgrund zu.

Heeeeeeeeerlig war’s!

P.S.: wolle doch bitte die geneigte Leserin, der geneigte Leser dem Schreibenden seine abschnittweise leicht martialische Ausdrucksweise vergeben. Neben der Lust sich dem Fels hinzugeben und der Freude daran für den SAC Touren zu leiten überkommt ihn hin und wieder auch einfach die Lust am Fabulieren. Also, es besteht, so denke und hoffe ich, kein ernsthafter Grund zur Besorgnis…