29.02.2020 – 03.03. 2020
Tage in den Zeiten des Coronavirus
Virus? Ja diesen tragen wir doch alle in uns, die so gerne Gipfel erklimmen: Es ist der Bergvirus, der auch so sehr ansteckend ist. Und gekrönt sind wir nach vier Tagen nach Hause gefahren, innerlich erfüllt von Wind und Wetter und hie und da schön gelegten Skispuren und immer wieder von der guten Stimmung in der Gruppe.
29.02.2020
Ein Extratag. Alle vier Jahre jedenfalls. Für uns ist es Reisetag. Dass dann schon in Basel der erste Zug nach Chur ausfällt, ja dafür können wir nichts.
Unsere Kollegen warten im Surettahotel in Splügen und um Mittag ziehen wir dennoch durch einen verzauberten waldigen Weg in Schlaufen in die Höhe. Der Wind bläst kräftig, die Sicht wird schlechter, Böen und Schnee treiben uns Tränen in die Augen. Niemand ist böse, als Walter Fletscher, unser Bergführer nach 400 Höhenmeter Richtung Surettasee zum Rückmarsch bläst. Die Hänge fühlen sich gut an und leicht drehend kommen wir auf der Piste an, die uns rassig ins Dorf zurück trägt.
Infolge Überbuchung nächtigten wir im «wisse Chrüz», in einem stolzen Haus, rustikal eingerichtet, etwas über dem Dorf. Es schneit ganz leicht über Nacht.
01.03.2020
Sonntagsbrunch um 7.00 Uhr. Gestärkt ziehen wir los. Der beste Tag aus unsern vier ist auf der Wetterapp angesagt. Das Surettahorn ruft und verlangt Ausdauer. Den ersten Anstieg durch den Wald kennen wir schon und laufen wie im Traum, Schlaufe um Schlaufe auf der gut gelegten Spur geht’s ins offene Gelände ruhig und meditativ, Stunde um Stunde und höher und höher. Die wunderschön verzuckerten Vorgipfel sonnenbeschienen vor uns. Wer hätte gedacht, dass wir heute ohne Gipfel zurückkehren. Denn leicht unter dem Pass beginnt ein unglaublich starker Sturm nimmt die Sicht und lässt empfindliche Stellen weiss werden. «Beobachtet euch» ruft uns Walter zu. «Und nicht reiben, nur drücken!» Und auch diesmal zieht niemand die Schnute, 50 m vor dem Gipfel abzufellen. Dies im Sturmwind zu tun und alles für die Abfahrt zu richten ist Herausforderung genug. Mit klammen Gliedern fährt sorgfältig erst eins hinter dem andern und dank dem schnittigen Fahrstil aller sind wir bald in ruhigeren Gefilden und geniessen eine wunderbar lange (1400 m) Abfahrt bei gutem Schnee. Zu früh fürs Zvieri im Dorf entscheiden einige, auf der Gegenseite noch etwas aufzusteigen und an einer sonnigen Hüttenwand zu vespern. So sprechen die Bilder von diesem Sonntagabend Richtung Fluegrind für sich.
02.03.2020
Nun hat es geschneit, die gestern noch braunen Weiden sind sauber weiss, das Dörfchen im Morgengrauen fast in weihnachtlicher Stimmung.
Bei märchenhafter Stimmung zieht unsere Gruppe gut gelaunt von dannen, trägt die Skier zunächst den Berg die frisch verschneite Weide hoch. Das sonnige Plätzchen von gestern ist schneeverweht. Walter navigiert in gekonnten Schlaufen durch die Stille. Bis zur Verschnaufpause beim Stutzalphüttlein verspricht die Tour sogar Sicht: ennet am Bach sichten wir Gämsen und eine Gruppe Steinböcke. Die lange Traverse verrät noch nichts. Erst unter den Felsen des Gipfels nimmt der Wind so stark zu, dass wir fast umgeblasen werden. Wie kleine Nadeln sticht der wirbelnde Schnee im Gesicht. Auch heute kein Gipfelkuss auf dem Schollahorn und dies ohne Verordnung des Bundes wegen der Gefahr der Verbreitung des Virus.
Und ausgerechnet jetzt meine Bindungspanne. Seither schwöre ich auf Männer mit schwarzen Kabelbindern im Gepäck. Danke euch!
So hat auch mir die Abfahrt Spass gemacht. Wind bald im Rücken, neue, unbefahrene Hänge, geschmeidige Schwünge, die Gesichter tauen auf.
Und alles gibt toll Appetit auf die feinen Pizzen zum Znacht.
03.03.2020
In der Nacht hat es durchgeschneit, die Schneeschleuder lärmt schon seit den frühesten Morgenstunden, um den Weg entlang des Hinterrheins dem Verkehr zurückzugeben. Ein Bus fährt uns mit den Kindergärtnern nach Nufenen. Und heute beneide ich den ersten in der Gruppe nicht. Das ist harte Arbeit durch den fast 40cm hohen neuen Schnee die Spur zu ziehen. Der Himmel reisst Lücken und es kitzeln uns ein paar Sonnenstrahlen.
An Hütten und Schöpflein ziehen wir fast 1000 Höhenmeter vorbei, weiter hoch in Richtung Nufenenlücke.
Fast bis dahin. Die Wärme, der neue Schnee, die Hanglage lassen vor dem letzten Hang rasten und umkehren.
Im Flow der glitzrigen neu verzuckerten Hänge, die wunderbaren Schwünge noch lange in den Beinen, kehren wir fröhlich ein letztes Mal ein.
Heimkehren mit der Gewissheit, das Beste aus der Wettersituation gemacht zu haben, ist ein gutes Gefühl. Und dies dank den weisen Planungen von Walter in Absprache mit Gerhard. Ein grosses Kompliment.
Teilnehmende: Walter Fetscher: Bergführer, Gerhard Roth: Tourenleiter
Judith Meister, Andi Vizeli, Susanne Härri, Margrit Suri
Peter Dieffenbach, Susanne Forrer, Bruno Rickenbacher
Bericht: Susanne Härri
Fotos: Andi, Peter, Walter, Susanne, Gerhard