Ich frage mich langsam wirklich: liegt es am Tourenleiter mit schlechtem Karma oder sind da andere dunkle Mächte im Spiel? Bei nahezu jedem Anlass, den ich für den SAC Baselland durchführen darf tendiert die Wahrscheinlichkeit nass zu werden gegen 100%…
Von dieser Regel weichen wir auch dieses Mal nicht ab, Ordnung muss schliesslich sein! Eine andere Regel scheint aber auch zu sein: je übler das Wetter, desto freudiger die Gesichter. Und auch von dieser Regel wird dieses Mal nicht abgewichen.
So stosse ich heute in Spiez auf acht freudig gespannte Augen, die letzten Meter fahren wir zu fünft mit der Bahn zum Ausgangspunkt. Im “Aufstieg” vom Bahnhof Wimmis ins Drytoolklettergebiet Burgfluh, wenn man denn als hartgesottener Alpinist bei einem halbstündigen Spaziergang von einem Aufstieg sprechen will, wurde wieder einmal trefflich darüber philosophiert warum diese recht gspässige Disziplin eigentlich “Drytoolen” genannt wird, ist’s doch üblicherweise ziemlich wet wenn man mit den Eisgeräten im Fels herumstochert. Nun ja, die Frage erübrigt sich eigentlich und an unserer momentanen Situation ändert sie auch nichts.
Oben angekommen werden noch einige Aufwärmübungen für Oberkörper, Schultern und Arme gemacht sowie eine um die Reaktionsfähigkeit der noch etwas müden Geister zu schärfen. Was bei einigen von uns nach Salsa auf gehobenem Niveau aussieht, sieht bei anderen eher nach Mixed Martial Arts aus… (siehe Photos 😉
Solchermassen aufgewärmt bewältigen wir die letzten Meter an den Fels. Da für die einen dieser Tag der erste ist, an dem sie sich in dieser alpinistischen Disziplin versuchen und für den Rest von uns das erste Mal diesen Winter, beginnen wir mit einem Quergang kanpp über dem Boden zum Testen wie gut wir auf nur einer Frontzacke pro Fuss im Fels stehen können. Fazit: wenn man den Tritt erst einmal gefunden hat, steht man erstaunlich gut und sicher. Die grösste Herausforderung ist es, diesen überhaupt erst zu finden und als solchen zu erkennen. Also, das sollten wir mit den Füssen machen, aber was mit unseren Armen und Händen? Dazu machen wir anschliessend einen kurzen Quergang, ebenfalls knapp über dem Boden, bei dem der Tourenleiter die Eisgeräte im Fels an geeigneten Stellen, sogenannten Hooks, vorplatziert. Man merke: jetzt wirds anstrengend! Leicht überhängend und immer in den Eisgeräten zu hängen saugt ganz erheblich an der Ausdauer. Zuletzt kommt die Krönung, wir klettern den ganzen Quergang nun indem wir die Eisgeräte selber platzieren. Auf diese Weise haben wir nun sämtliche Puzzleteile zusammengefügt, die nötig sind, eine Drytoolroute “richtig” zu begehen.
Im rechten Teil des Gebiets hängen wir nun drei Routen ein, die sich eignen, das soeben Gelernte im Toperope auszuprobieren. Gottseidank sind diese Touren nicht überhängend sondern leicht geneigt, sodass wir unser Augenmerk auf das Finden der Hooks und das Platzieren von Steigeisen und Eisgeräte richten können ohne zu sehr gepumpt zu werden. Wir rotieren mehrfach in diesen Touren und mit der Zeit werden wir immer besser und effizienter darin, die geeigneten Hooks zu finden. Eine kurze Mittagspause genügt, mittlerweilen hats aufgehört zu Schneien, es scheinen sogar einige Sonnenstrahlen durch die Wolken, und wir machen uns daran noch eine weitere Route, leicht schwieriger als die bereits gekletterten, auszuprobieren. Die Plattenstelle in der Mitte der Route stellt sich dabei eindeutig als Schlüsselstelle heraus, die einige von uns mit grossem Kraftaufwand für den weiten Zug meistern und andere, indem sie geschickt an den kleinen Hooks über die Stelle balancieren. Zufriedenheit allenthalben wenn diese Schlüsselstelle geknackt wurde.
Die Tage sind nicht mehr lange im Dezember und so langsam müssen wir uns bereits überlegen welche Route wir noch in Angriff nehmen möchten (oder sind es eher die Kräfte, die nicht mehr unendlich langes Klettern zulassen?). Jedenfalls hängt der Tourenleiter zum Schluss noch die Verlängerung einer Route als Toperope ein, die am Vormittag dem Einklettern diente. Und dabei zeigte sich die wahre Natur der vier unverwüstlichen Freund*innen garstigen Vertikalturnens: mit unglaublicher Motivation, Elan und Willen (oder unerschütterlicher Sturheit?) kämpften sich einige unserer Gruppe die zehn leicht überhängenden Meter hinauf ohne aufzugeben! Chapeau, das nenn ich mal eine top Einstellung!
Fazit dieses Tages: alle sind unversehrt, glücklich und zufrieden über Erlerntes und Geleistetes und sind sich einig: auch wenn das Wetter schlecht ist, sch… drauf, Drytoolen geht immer!