Skitour kann jede(r)!
Tschuldigung liebe SkitürlerInnen, dieser (leicht) provokante Aufhänger musste einfach sein ;-). Also machen wir uns vorfreudig am Sonntag morgen in aller Herrgottsfrühe geräuschlos auf in Peters Tesla von Sissach in die Westschweiz. Für Peters beide Mitfahrer ist dies eine Premiere in Sachen Fortbewegung und so wird der gute gelöchert mit Fragen zu Reichweite (ja, kommt tatsächlich annähernd so weit wie SpaceX vom selben Patron), Ladeinfrastruktur und -vorgang, Navigation und autonomes Fahren. Dass ein Vorteil elektrischer Fortbewegung das starke Drehmoment ist, ist mir als ebenfalls automobilem Elektriker durchaus bewusst und auch Peter scheint dies verinnerlicht zu haben und so sind wir zeitlich dermassen gut unterwegs, dass sich ein Kaffeestop im Grauholz geradezu aufdrängt. Bei Kaffee und Gipfeli erklärt er uns, dass der monatliche 40-Franken-Gruss der Polizei eigentlich Standard sei und ich bin überrascht, dass wir bis dorthin noch nicht fotografiert wurden. Das Koffein scheint ihn aber dermassen geweckt zu haben, dass wir in einem Tunnel zwischen Bern und Yverdon doch noch kurz lächeln mussten beim staatlichen Fototermin.
Im (noch?) verschlafenen Baulmes angekommen finden wir eine ebenso motivierte Nadine vor und nehmen die letzten Meter zum Parkplatz an der Strasse zum Col de l’Aiguillon zu viert unter die vier angetriebenen Räder. Einige Strassenabschnitte sind tatsächlich noch schneebedeckt und so kann Peter auch diesen Vorteil seines Vehikels ausspielen und wir komplett angstlos Richtung Klettergebiet hoch cruisen.
Die letzten zwanzig Minuten ins Drytoolklettergebiet Falaise des Naz möchten wir dann doch nicht auch noch Peters potentem Automobil zumuten und nehmen sie stattdessen unter unsere Füsse. Am Wandfuss angekommen finden wir den letzten Mann unserer Truppe, Sämi, vor. Er war tatsächlich der tüchtigste von uns allen, ist er doch aus St. Croix über eine Stunde ins Gebiet hoch marschiert. Dafür sonnt er sich nun am warmen Wandfuss und hat Musse das wunderbare Alpenpanorama über dem Nebelmeer im Seeland zu geniessen.
Da nun die Beine schon schön auf Betriebstemperatur sind schlägt der Tourenleiter nun noch einige Übungen vor um die oberen Extremitäten zu aktivieren und mobilisieren bevor wir uns daran machen in Bodennähe auszuloten wie auf der winzigen Auflagefläche der einzigen Frontzacke unserer Steigeisen gestanden werden muss. In der nächsten Übung legen wir wortwörtlich zwei Zacken zu und steigern die Komplexität indem wir nun beim gleichen Boulderquergang noch die Eisgeräte zur Fortbewegung mit einbeziehen. Beide Damen der Gruppe sind quasi schon alte Häsinnen, sie waren anfangs Dezember schon in Wimmis am Start, während die beiden Herren das erste Mal diese gspässige Form alpinistischer Fortbewegung antesten. Nach einigen Durchgängen sind die Damen wieder voll im Element und die Herren soweit eine erste Route nachzusteigen.
Im Toprope werden die ersten Hooks (= «Griffe» für die Steigeisen und Eisgeräte in angesagtem Neudeutsch) gesucht und meist auch gefunden. Schnell wird klar, dass 1.: es gar nicht soooo einfach ist Hooks als solche zu erkennen und 2.: man nicht wie beim Klettern spürt ob diese auch halten während man sich an den Eisgeräten hoch zieht. Dieser Umstand hat dann öfters mal zur Folge, dass, wird das Tool (= Eispickel, siehe analoge Begriffserklärung zu «Hooks» oben), nicht sauber in der Position gehalten, es ganz unvermittelt vom Hook rutscht und man im Seil hängt ohne genau zu wissen, was nun gerade geschehen ist. Jaja, die Tücken des Drytoolens können seeeehr hinterhältig sein!
In kleinen Einschüben versucht der Tourenleiter immer wieder die kleinen aber feinen und wichtigen Finessen zu erklären um an diesem Sport seine Freude zu entwickeln unter anderem die wichtigste, nämlich jene, wie die Eisgeräte am Einstieg einer Route zu platzieren sind während man eine Pause macht oder der Vorsteiger wechselt, sodass man in den Augen anderer anwesender DrytoolerInnen als sehr erfahren und als würdige(r) Dazugehörige(r) der exklusiven Drytoolcommunity gilt… 😉 . Wichtig hierbei: der Hook an den die Geräte gehängt werden muss dermassen klein, d.h. im Grunde inexistent sein, dass sie gerade noch irgendwie an Ort und Stelle hängen bleiben aber trotzdem frühestens bei einem Sturm von 10 Beaufort herunter fallen. Selbstredend natürlich ebenfalls: das Ganze darf nicht in minutenlangem Gebastel geschehen sondern muss in einem Flow wie hingeworfen aussehen am besten während man dazu noch die komplizierte Beta der schwersten Route im Gebiet zum Besten gibt. So geht das, Maloney 😉
Nach der sonnigen Lunchbreak (bleiben wir doch gerade bei angelsächsisch beeinflusstem Neudeutsch) auf lauschigem Bänkli (plus etwas Schwizerdütsch) werden weitere Routen im rechten – tschuldigung, im anderen rechten – Wandteil in Angriff genommen und da die Felswand so schön besonnt wird von einigen sogar im T-shirt! Eine Tour, die zwar nominell auch recht einfach kletterbar ist entpuppt sich dann doch als nicht so einfach, muss doch eine tricky Querung überwunden werden. Nach so viel technisch herausforderndem Drytooling ist’s an der Zeit noch an der Athletik zu arbeiten. Zu diesem Zweck hängt der Tourenleiter eine recht steile Route fürs Toprope ein. Die ersten zehn Meter sind technisch einfach und die Hooks gut zu erkennen, nur eben cheibe weit auseinander liegend und da leicht überhängend hängt viel Körpergewicht an den Händen. Das gibt dem Tourenleiter die Gelegenheit auf die effektivste Technik hinzuweisen um eine Route dieser Art zu begehen. Nach den eher technisch herausfordernden Routen des Vormittags zeigt uns diese nun, dass das Drytoolen eine extrem vielseitige Disziplin des Bergsportes ist: einerseits kann es nötig sein, sich extrem vorsichtig und mit viel Selbstvertrauen von unscheinbarem Hüüklein zu nahezu inexistentem Hüüklein zu schleichen und handkehrum kann es nötig werden sich mit brachialer Oberkörperblockierkraft eine Route hoch zu ballern. (und wer sagt da noch, Drytoolen sei eine nicht ernstzunehmende Randerscheinung, hää??).
Solchermassen gesättigt mit vielen neuen Eindrücken und ermatteten Armen tritt unser Trupp alsbald den Rückzug an, das Alpenpanorama über Nebelmeer in schönstem Abendlicht beleuchtet und der Tourenleiter fragt sich dieses Mal was zum Teufel sich an seinem Karma seit seinem letzten SAC-BL-Anlass geändert haben mag: das Wetter war superb und wir blieben dieses Mal komplett dry beim Toolen…!
P.S.: doch noch ein Nachschub wert und eventuell ein Argument für alle, die sich den Kauf eines Teslas ernsthaft überlegen: der Wagen lässt sich beim Strom tanken – und Nüssli essen, gell Lisa, Sämi und Peter 😉 – nett heizen und der grosse Bildschirm inklusive Dolby Surround Sound verkürzt das Warten ungemein, speziell wenn man ein Netflixabo sein eigen nennt… ;-).